Soziales Lernen

In der Erklärung über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis“ des II. Vatikani-schen Konzils (1962-65) können wir im Artikel 8 u.a. lesen:

Die Präsenz der Kirche im schulischen Bereich zeigt sich in besonderer Weise durch die katholische Schule. Diese verfolgt nicht weniger als andere Schulen die Bildungsziele und die menschliche Formung der Jugend. Ihre besondere Aufgabe aber ist es, einen Lebensraum zu schaffen, in dem der Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums lebendig ist. […] So erzieht die katholische Schule, indem sie sich den Anforderungen der Zeit gebührend auf-schließt, ihre Schüler dazu, das Wohl der irdischen Gemeinschaft wirksam zu fördern, und bereitet sie zum Dienst an der Ausbreitung des Reiches Gottes.

Um diesen Aufgaben, den Geist der Liebe des Evangeliums lebendig zu halten und das Wohl der irdischen Gemeinschaft wirksam zu fördern, gerecht zu werden, besitzen die sozialen Projekte einen unverzichtbaren Platz im Leben unserer Schulgemeinde. Sie sind der Ausdruck unserer dem Evangelium folgenden Nächstenliebe, der sog. Diakonia.

Diese verwirklicht sich zunächst oft ganz unspektakulär im alltäglichen menschlichen und menschenfreundlichen Umgang miteinander entsprechend der Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,29-37), bzw. einem Satz von Meister Eckehard, der gesagt hat, dass der bedeutendste Mensch immer der sei, der mir gerade gegenüberstehe. Darüber hinaus gehört die Diakonia als institutionalisierte Nächstenliebe fest zum Schulprofil.

In diesem Rahmen können wir zwei Arten von „Projekten“ unterscheiden, nämlich den Beratungstätigkeiten auf der einen und den Sozialprojekten auf der anderen Seite, die im Folgenden näher betrachtet werden.

Fest in den Stundenplan der jeweiligen Jahrgangsstufen integriert sind das Selbstbehauptungs- bzw. Sozialtraining und das Sozialpraktikum.

Das Sozialtraining

Im Rahmen der Aktivitäten zur Gewaltprävention wird dieses in allen Klassen der Jahrgangsstufe 5 durchgeführt.  Das Projekt, das von Referentinnen bzw. Referenten von IN VIA geleitet wird, umfasst neben einem Vorgespräch drei Seminartage pro Klasse. An diesen Tagen stehen Themen wie „Konfliktvermeidung“, „gewaltfreier Umgang mit Konflikten“ und „richtiges Verhalten in Problemsituationen in und außerhalb der Schule“ im Mittelpunkt. Es werden Übungen zur Förderung sozialer Kompetenzen und zur Stärkung des Selbstwertgefühls durchgeführt und insgesamt der Zusammenhalt innerhalb der Klasse gestärkt.

Das Sozialpraktikum in der EF

Das zweiwöchige Sozialpraktikum, welches die Schüler/innen in der Stufe EF im Anschluss an die Weihnachtsferien absolvieren, ist ein integraler Bestandteil unseres Bildungsangebotes, da es de Heranwachsenden die Begegnung mit ihnen oftmals wenig bekannten Lebenswirklichkeiten ermöglicht. Beim Sozialpraktikum geht es um die Begegnung mit den Benachteiligten und Schwachen unserer Gesellschaft, also Mitmenschen, die in besonderer Weise Hilfe benötigen. Dies können Menschen sein, die bereits von Kindheit an benachteiligt sind (z.B. in integrativen Kitas und in Förderschulen), Menschen, die zeitweise Hilfe benötigen (z.B. im Krankenhaus), Menschen, die ihr persönliches Schicksal überfordert und die beispielsweise ihre Wohnung verloren haben (z.B. im Café Plattform) oder auch Menschen, die ihr Leben lang „normal“ gelebt haben, aber nun aufgrund ihres Alters Hilfe benötigen (z.B. in Alten- und Pflegeheimen).

Wir hoffen, dass die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Sozialpraktikums die Möglichkeit finden und nutzen,

  • durch den Umgang mit Benachteiligten oder Hilfsbedürftigen ihre Sensibilität für den Mitmenschen weiterzuentwickeln,
  • Freude und Befriedigung im Umgang mit schwachen und hilfsbedürftigen Menschen zu erleben,
  • ihre individuelle physische und psychische Belastbarkeit zu erfahren,
  • ihre Begabungen und Neigungen zu entdecken und zu erproben,
  • einen wichtigen Schritt in ihrer Lebensorientierung voranzukommen.

In Zusammenarbeit mit allen Wohlfahrtsverbänden Aachens und anderen geeigneten Einrichtungen stellen wir den Jugendlichen ein möglichst großes und vielseitiges Spektrum an Praktikumsplätzen zur Wahl. So kann jede/r eine Stelle finden, die eigenen Fähigkeiten und Neigungen entspricht.

Das Sozialpraktikum findet statt in Krankenhäusern, Altenheimen, Einrichtungen der Altenhilfe, Sozialdiensten, integrativen Kindergärten bzw. Sonderkindergärten, integrativen Grundschulen bzw. Förderschulen, Behindertenwohnheimen und Behindertenwerkstätten, Arbeitslo-senprojekten, Projekten für Wohnungslose usw.

Weltweites soziales Engagement

Als Europa-Schule und auf dem Weg zu einer christlichen UNESCO-Schule kooperiert unsere Schule schon seit vielen Jahrzehnten mit unterschied-lichen Partnern, um Menschen, besonders Kindern, deren Leben ohne Unterstützung auf Dauer weder heilvoll noch menschenwürdig gestaltet werden kann, zu unterstützen.

Die Arbeitsgemeinschaften vor Ort

In mehreren Arbeitsgemeinschaften treffen sich regelmäßig Schüler/innen und Schüler, um unter der Leitung kompetenter LehrerInnen Menschen in ihrem Alltag zu unterstützen. Das reicht von Hilfsangeboten in der Viktor-Frankl-Schule und in der Grundschule Passstraße bis zum Seniorenzentrum Lourdesheim („Christen-mit-Courage“). Während auf der eine Seite Schülerinnen und Schüler beim Lernen, etwa bei der Erledigung von Hausaufgaben, Unterstützung erfahren, wird den Senioren Hilfestellung gewährt in der Gestaltung ihrer Freizeit, zum Beispiel durch Spazierfahrten mit dem Rollstuhl. Eine weitere Gruppe hält den Blick auf eine Verteilungsgerechtigkeit und auf Menschen wach, die kaum von ihrer Hände Arbeit leben können, indem sie zu bestimmten Zeiten und Anlässen fair gehandelte Waren anbietet („Fair-Trade“).

1. Kinder helfen rumänischen Kindern

Seit 1993 ist die Unterstützung des Kinderheimes „Stern der Hoffnung“ in Alba Iulia/Rumänien, gegründet von Sibylle Hüttemann, zu einem festen Bestandteil des sozialen Engagements am Pius-Gymnasium geworden. Anfangs wurden Schultaschen gefüllt mit Schreibmaterial und Heften nach Rumänien geschickt. Bald übernahmen Klassen unserer Schule Paten-schaften für einzelne Kinder, von deren Schicksalen sie sehr beeindruckt und betroffen waren. Die Hilfe wurde ausgeweitet durch Benefizkonzerte, Piuslauf, einen Teil der Einnahmen vom Piusfest und die Nikolausaktion.

Durch unsere regelmäßige Hilfe haben wir dazu beigetragen, Waisen- und Straßenkindern ein Leben in der Gemeinschaft des Heimes, eine Schul- und Berufsausbildung zu ermöglichen. Verantwortlich zeichnet sich bis heute dafür unser ehemaliger Kollege Hermann Diederichs

www.kinderheim-alba-iulia.de

2. Arco Iris

Die Stiftung Arco Iris, übersetzt „Der Regenbogen“, wurde vom Mönchen-gladbacher Pfarrer Josef Neuenhofer gegründet. Das Hilfswerk unterstützt Hunderte von Kindern und Jugendlichen, die auf und von der Straße leben. Zur Hilfe gehören die Unterbringung von Mädchen oder Jungen, eine medizinische Grundversorgung sowie soziale Einrichtungen wie Kindergarten, Kindertagesstätte und eine Förderung der Schulbildung.

Das Pius-Gymnasium unterstützt Arco Iris seit einem Schulfest im Jahre 1997. Damals wurde ein Kontakt mit Josef Neuenhofer aufgebaut, der in der Folgezeit mehrfach das Pius-Gymnasium besuchte und einen großen Eindruck bei Kollegen und Schülern hinterließ. In vier Besuchen konnte sich Hermann Krüssel, der die Hilfe für Arco Iris koordiniert, in einem Zeitraum von etwa 20 Jahren immer wieder davon überzeugen, wie sinnvoll die Gelder der alljährlichen Nikolausaktion und des Piusfestes bei den Ärmsten verwendet werden. Darüber hat er mehrfach in den Jahresschriften des Pius-Gymnasiums berichtet.

http://www.foerderverein-arco-iris.de/de/Home

http://www.para-los-ninos.de/hilfe_acro_ires.html

3. Togo Ta Alafia

Seit 2020 unterstützt das Pius-Gymnasium den von einer ehemaligen Schülerin mitbegründeten Verein Togo Ta Alafia e.V., der sich für die nachhaltige Unterstützung sozial ausgegrenzter junger Menschen in der Region Kara im Norden Togos einsetzt.

Im Fokus steht zurzeit die Ausstellung von Geburtsurkunden für Kinder, die die Grundschulzeit beenden und keine Geburtsurkunde besitzen. Ohne diese ist ihnen aber der Besuch der weiterführenden Schule verwehrt, also auch jede Perspektive auf Bildung und Berufsqualifikation.

Durch Aufklärungsveranstaltungen bei Eltern, Institutionen und Behörden bemüht sich der Verein, die Strukturen zu verändern und bessere Grund-lagen für ein menschenwürdiges Leben zu schaffen. Die Schüler/innen des Pius-Gymnasiums lernen bei Projekttagen, Schulfesten und Benefiz-konzerten sowie in den Schulmessen das westafrikanische Land und die Arbeit von TTA kennen. Ein Austausch mit jungen Togoern wird angestrebt.

4. Café Plattform – 365 Tage und Nächte im Jahr Rat, Tat und Hilfe

Das besondere Café in der Hermannstraße im Herzen von Aachen ist Treffpunkt für immer jünger werdende Menschen, die unter Bindungs-losigkeit, Perspektivlosigkeit und Einsamkeit leiden. Nähe und Perspektiven für bindungslose Menschen bietet das Café Plattform. Dazu gehören 365 Nächte im Jahr ein Dach über den Kopf, Kleidung, eine warme Abendmahlzeit, eine heiße Dusche und Waschmöglichkeit. Die geschulten und erfahrenen Sozialarbeiter und ehrenamtlich Tätigen stehen in allen Lebenslagen mit Rat, Tat und Hilfe den Besuchern und Besucherinnen zur Seite, leisten wertvolle Beziehungsarbeit und ermöglichen den Aufbau und die Pflege sozialer Kontakte. Sie bieten ein „Stück Zuhause“.

Eigenverantwortung wird gefördert in kleinen, überschaubaren Schritten, z. B. durch das Gartenprojekt Querbeet (gemeinsam mit der Suchthilfe Aachen); die so bepflanzten Konservenbüchsen an Straßenlaternen und Baumscheiben prägen mittlerweile unser Stadtbild. Das Café heißt alle jederzeit willkommen, gerne einfach auf einen Kaffee hereinkommen und die Atmosphäre auf sich wirken lassen. Die Leistungen sind – bis auf kleine Unkostenbeiträge für Sachleistungen – für die Gäste kostenlos. Dafür ist Café Plattform auf Spenden angewiesen, da es sich zu einem Drittel daraus finanziert.

Diese Einrichtung der katholischen Kirche für Wohnungslose wurde 1988 u.a. von einem ehemaligen Schüler des Pius-Gymnasiums gegründet. Ein Mitglied unseres Lehrerkollegiums, Astrid Hautzer, ist bis heute im Förderkreis, gewährleistet Kontinuität und Kontakt zum Pius.

Unsere Schüler in der Einführungsphase haben im Rahmen unseres Sozialpraktikums die Möglichkeit, diese Arbeit personell zu unterstützen und wichtige Einblicke in die soziale Arbeit sowie neue Erkenntnisse über sich und ihre Fähigkeiten zu gewinnen.

Einzelaktionen

Der Hilfeschrei des Nächsten, der auch am anderen Ende der Erde leben kann, darf nicht ungehört verhallen.. Deshalb werden in weiteren einmaligen Aktionen Menschen unterstützt, die auf unsere Hilfe dringend angewiesen sind, z.B. durch Aschermittwochskollekten für Flutopfer in Pakistan (Kindermissionswerk), für ein Kinderheim in Namibia (Wadede) oder für die Prana-Schule in Indien (European Partnership)

Seit März 2012 finden Sonderkollekten statt, die armen und begabten Kindern der Prana-Förderschule in Süd-Indien zugutekommen. Die Schüler/innen sind vor allem Kinder von Fischern und den sog. Dalit, den »Unberührbaren«, die Ghandi »Kinder Gottes« nannte und welche in einer aussichtslosen Armut leben.

In Indien klafft die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Hinzu kommt ein inzwischen erbitterter Kampf der Religionen. Die Prana-Förderschule hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Unterschiede auszugleichen und dem Separatismus Einhalt zu gebieten. So besuchen Kinder der drei Weltreligionen (Christentum, Hinduismus, Islam) gemeinsam den regulären Unterricht. Die Schüler/innen erfahren, dass eine andere Religion kein Grund für Feindschaften sein muss und dass ein friedvolles Miteinander erstrebenswert und vor allem lebbar ist. Das pädagogische Konzept sieht letztlich vor, die jungen Inder zu selbständigen Erwachsenen zu erziehen, damit sie eines Tages Verantwortung für sich, ihre Familien und die Gesellschaft übernehmen können.

Durch die zahlreichen Aschermittwochskollekten und zwei Benefiz-Konzerte des Chors »AChoir Joy« unter Leitung von Rodrigo Bartsch wurden an der Prana-Förderschule die finanzielle Basis für einen Stipendienfonds grundgelegt und benötigte Materialien und Hilfsmittel angeschafft.

Ein lebendiges soziales Engagement als Verwirklichung biblischer Nächstenliebe ist die Nagelprobe für jedes geistliche (spirituelle) Leben in der Nachfolge Jesu Christi. Es ist eine Herausforderung für eine Schule, die aus diesem Geist ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag schöpft und Menschen dazu anhalten will, verantwortungsvoll mit der Schöpfung und vor den Mitmenschen und Gott zu leben.

Das Konzept der Sozialprojekte am Pius-Gymnasium

basiert auf den vier Wesenseigenschaften der Kirche

Martyria – Verkündigung

Leiturgia – Gottesdienst

Koinonia – Gemeinschaft

Diakonia – Nächstenliebe

Diakonia = Nächstenliebe = Sozialprojekte

A) Beratung  (Beratungslehrer, Kontaktschüler, Medienscouts etc.)

B) Soziale Projekte

in Unterricht integriert AGs Sozialpartner Einzelaktionen

Sozialtraining
Viktor-Frankl-Schule Kinderheim (Rumä-nien/Europa) Prana-Schule in Indien (European Partnership)

Sozialpraktikum
Passstraße Arco Iris (Bolivien/ Südamerika) Flutopfer in Pakistan (Kindermissions- werk)
Christen mit Courage Togo Ta Alafia (To-go/Afrika) Kinderheim in Namibia (Wadede)
Fair-Trade Café Plattform (Aachen)

Dr. Wilhelm Derichs